Seit dem Aufstieg von Tinder ist das Swipen kaum aus unserem digitalen Leben wegzudenken. Mittlerweile verwendet sogar das Nachrichtenportal 20 Minuten in der hauseigenen App Wischgesten. Bei solch weitreichenden Erfolgen ist es selbstverständlich, dass auch andere Plattformen und Unternehmen die neue Gestik kopieren.

It’s a match!
Online Dating ist beinahe so alt wie das World Wide Web selbst. Doch seit kiss.com und match.com Mitte der 1990er Jahre online gingen hat sich viel verändert. Solche klassischen Dating Portale liessen ihre Benutzer potenzielle Partnerentscheidungen mittels eines äusserst umfangreichen Userprofils treffen. Bei Tinder hingegen ist das Ganze viel einfacher. Ein paar Bilder, eine kurze Beschreibung und schon können User los-swipen. Ein Swipe nach rechts suggeriert Interesse, ein Swipe nach links und das Profil der anderen Person verschwindet für immer. Nur wenn beide Personen nach rechts swipen kann Kontakt hergestellt werden. Dieser berüchtigte Swipe ist längst zum a und o der online Dating Welt geworden. Aber auch andere Anwendungen machen von dem System Gebrauch. Vertikale Wischgesten finden sich mittlerweile in unzähligen Apps, da sie sehr userfreundlich sind und perfekt zur schnelllebigen digitalen Welt passen.

Ein Ende der Stigmatisierung
In den letzten Jahren hat sich der Ruf von Online-Dating enorm verbessert. Während im Jahr 2005 nur 44% der Amerikaner eine positive Einstellung gegenüber Online-Dating hatten, waren es 2015 bereits 59%. Dies ist vor allem dem Erfolg der Dating Apps geschuldet, welcher durch die Pandemie nochmals gestärkt wurde. Im letzten Jahr verwendeten weltweit bereits 270 Millionen Menschen Dating Apps. Tinder verzeichnet mittlerweile mehr als 3 Milliarden Swipes pro Tag. In Zeiten von reduziertem sozialem Kontakt ist dieser Trend klarerweise auch in der Schweiz zu beobachten, so gibt es seit Pandemiebeginn deutlich mehr Personen die aktiv nach einem Partner suchen.

Dating mit Daten
Selbstverständlich bringen viele User auch viele Daten mit sich. Und wo es Daten gibt, gibt es Geld. Die Match Media Group, zu der unter anderem Tinder und OkCupid gehören, setzt auf das Facebook Audience Network und macht so Gebrauch von bestehenden Strukturen. Für Werbetreibende bedeutet das wenig Zusatzaufwand und schnelle, einfache Handhabung. Allerdings bedingt das auch eine Limitierung der Targetingoptionen. Diese sind identisch mit jenen auf Facebook. Grindr , die führende Dating App für LGBTQ+ Personen, hingegen setzt komplett auf eigene Systeme und kann so deutlich genauere Zielgruppen ansprechen. Ausserdem liegt das Jahreseinkommen von 76% der Grindr-User über dem Durchschnitt, was die App für Werbetreibende besonders interessant macht. Auf beiden Apps gibt es diverse Möglichkeiten, um Produkte anzubieten. Auf Tinder als auch Grindr lassen sich Display, Video und Inbox-Ads schalten. Besonders gut funktionieren aber natürlich jene Anzeigen die sich in das bestehende Ökosystem einbinden. Im Vorfeld der Filmpremiere von Ex-Machina beispielsweise, wurde Usern ein Bot-Profil des Hauptcharakters gezeigt. Der Film handelt von einer künstlichen Intelligenz, welche nicht von echten Menschen zu unterscheiden ist, die Werbung war also auch in diesem Sinne passend. Ein anderes gelungenes Beispiel stammt vom Pizzalieferanten Domino’s. Dieser schaltete zum Valentinstag eine Werbung, welche User, die nach rechts swipten, mit einer gratis Pizza belohnte. Allgemein lässt sich sagen, dass Werbung, die zur jeweiligen Plattform passt sicher erfolgreicher ist. Höchstwahrscheinlich also machen Anzeigen für Restaurants oder Bars meist mehr Sinn als Auto- oder Versicherungswerbung.

Mehr als nur ein Swipe
Die inzwischen allgegenwertigen Swipes sind oft von raschen, oberflächlichen Entscheidungen geprägt. Bei Produktwerbungen kann das gleiche System zu schnelleren Kaufentscheidungen führen. Unternehmen mit Online-Shops können auf diese Idee zurückgreifen. Wenn sich die die wesentlichen Produktinformationen auf wenig Raum abbilden lassen, sind wischbare, mobile Shops eine gute Option, um Produkte zu verkaufen. Dies gilt besonders für jüngere Zielgruppen, die mit Wischgesten im Normallfall bestens vertraut sind. Die britische Damenmodemarke Missguided macht in der hauseigenen App von dem System Gebrauch. User können Produkte mit einem Swipe nach rechts Produkte auf die Wunschliste setzen, bei einem Swipe nach links erscheint ein neues Kleidungsstück. Auch die amerikanische Webseite swipe.shop macht ihrem Namen alle Ehre. Die Seite sammelt Produktlisten von verschiedenen Websites und bildet diese mithilfe von wischbaren Täfelchen ab. Einsatzmöglichkeiten gibt es aber auch ausserhalb von Onlinemärkten. Will ein Unternehmen sich und seine Ideen einfach erklären, sind Swipes oft eine gute Alternative zu herkömmlichen Webseiten. Swipes funktionieren. Das behauptet auch eine Studie der Pennsylvania State University aus dem Jahr 2016. In der Studie wurde eine mobile Webseite mit und ohne Wischgesten verglichen. Das Ergebnis: Swipes tragen positiv zur Empfindung einer Website bei.