Der Pride Month wird immer populärer und immer mehr Unternehmen hissen in dieser Zeit die Regenbogenfahne – sei es real oder virtuell. Wir hinterfragen, wie aus dem Gedenken an die Stonewall Riots vom Juni 1969 ein kommerzielles Queer-Marketing entstanden ist und wo die Grenze zwischen tatsächlichem Engagement für die LGBTIQA*-Community und sogenanntem Pinkwashing liegt.

Die Nacht auf den 28. Juni 1969 war der Beginn der modernen LGBTIQA*-Bewegung. Die teils gewaltsamen Auseinandersetzungen vor dem Stonewall Inn an der Christopher Street in New York City gelten als erstes gemeinsames Handeln der Community gegen die systematischen Diskriminierungen und Stigmatisierungen queerer Menschen. Durch eine Welle der Solidarisierung etablierte sich eine Gruppenidentität, die bis heute jedes Jahr im Juni an vielen Orten rund um den Globus gefeiert wird. Der Begriff «Pride» – englisch für «Stolz» – beschreibt in diesem Zusammenhang den selbstachtenden und stolzen Umgang mit der eigenen Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung und den öffentlichkeitswirksamen politischen und kulturellen Ausdruck dieses Selbstbewusstseins.

Nun, mitten im Pride Month, sehen wir überall Regenbogenfahnen: im Lieblingscafé, im Supermarkt, am Rathaus und in der Nachbarschaft genauso wie bei IKEA, Adidas, Siemens oder Microsoft. Von Sneakers in Sondereditionen mit Regenbogenmuster über bunt glasierte Doughnuts bis zu in den Farben der Flagge eingefärbten Logos auf LinkedIn gibt es unzählige Möglichkeiten, die Pride zu feiern und für Akzeptanz und Diversität zu werben. Selbstverständlich kämpfen diese Marken und Institutionen nicht nur für Gleichberechtigung, sondern auch um Umsatz. Absolut zu Recht, denn die Kaufkraft der queeren Gemeinschaft ist immens: Sie wurde vom britischen Marktforschungsunternehmen LGBT-Capital auf 3,7 Billionen US-Dollar pro Jahr geschätzt; das ist doppelt so viel wie die gesamte Kaufkraft Kanadas.

Was aber viel wichtiger ist: Alle diese Unternehmen beziehen eine wichtige Stellung. Sie signalisieren öffentlich, dass sie die Fortschritte innerhalb der LGBTIQA*-Community würdigen und sie in ihren Bemühungen, Gleichberechtigung und Akzeptanz zu fördern, unterstützen. Aus diesem Grund haben selbst vermeintlich kleine Aktionen nachhaltige Wirkung und auch das umstrittene Pinkwashing, sprich das oberflächliche Queer-Marketing, bewirkt letztlich Gutes – ganz im Gegensatz zum Greenwashing, bei dem niemand ausser den profitierenden Unternehmen etwas von der Sichtbarkeit des Themas hat. Selbstverständlich ist das auf den sozialen Medien in Regenbogenfarben eingefärbte Logo erst dann authentisch, glaubwürdig und wirkungsvoll, wenn das Unternehmen Erträge aus Pride-Kollektionen auch an entsprechende Organisation spendet, Mitarbeitenden aus der LGBTIQA*-Community einen Safe Space bietet und Arbeitsbedingungen schafft, in denen sich alle Menschen wohlfühlen und die gleichen Chancen haben.

Letztlich geht es immer darum, dass alle Menschen offen und frei leben können, ohne Angst vor Bedrohung, Diskriminierung oder Gewalt – ein bedingungslos unterstützungswertes Anliegen, das in vielen Regionen der Welt nach wie vor unvorstellbar bleibt. Falls du den Pride Month zum Anlass nehmen möchtest, um allfällige Einnahmen aus Queer-Marketing zu spenden, gibt es mit Queeramnesty, PinkCross oder dem Dachverband Regenbogenfamilien unter anderem auch in der Schweiz zahlreiche Organisationen, die deine Unterstützung jederzeit brauchen können.